In Kürze
Der Kälteeinbruch in der dritten Novemberdekade hat die Bienenvölker veranlasst das Brutgeschäft einzustellen. Etwa Zweidrittel der Völker haben zurzeit keine Brut mehr, die anderen nur noch vereinzelte verdeckelte Brutzellen (vielleicht wegen Varroabefall „stehen geblieben“) oder /und ein paar Zellen mit Eiern.
Vor der anstehenden Restentmilbung ist keine Völkerdurchsicht und auch kein Ausschneiden oder Aufkratzen von „ Restbrut“ notwendig. Diesen rabiaten Eingriff kann der Imker sich und seinen Völkern ersparen. Viel besser ist es, den richtigen Zeitraum abzuwarten. Dabei orientiert man sich am Wetterbericht.
Für die „Restentmilbung“ durch Träufelbehandlung mit Oxalsäure gilt die Empfehlung:
„Lieber bei -5° C als bei +5° C“.
Das schließt eine Behandlung bei einer Temperatur über 0° C (frühmorgens nach einer kühlen Nacht) nicht aus. Im Süden und Osten der Republik waren und sind viele November- und Dezembernächte frostig kalt. Wir hier im Westen müssen dafür weniger heizen.
Und wir müssen uns wegen der relativ milden Witterung zum Winteranfang keine Sorgen um das Wohlergehen der Völker machen.
Nicht jeder „Bienenexperte“ sieht das so.
Fall 1
Einem Fernsehbeitrag des WDR in der „Lokalzeit Münsterland“ vom 4. Dezember war zu entnehmen, dass die Anfang Dezember herrschende milde Witterung den Bienen nicht nur das Leben schwer macht, sondern auch das Überleben erschwert. (http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit/lokalzeit-muensterland/videolokalzeitmuensterland1654.html) Der „Bienenteil“ beginnt am Anfang der Sendung nach etwa 2:20 Minuten und dauert nur 35 Sekunden). Dort ist zu hören:
„4.12. und 11Grad…. (Die Kamera zeigt währenddessen eine digitale Temperaturanzeige und danach vier Völker eines Bienenstandes. Die Völker sitzen in Kunststoffbeuten und haben wenig Flugbetrieb.)
…. Das klingt wie Bienensummen. Für uns sieht das zwar schön aus. Für Bienen ist es leider der Anfang vom Ende.“ Nach dieser Einführung kommt Dr. Werner Mühlen von der Landwirtschaftskammer Münster ins Bild und sagt: „Ja. Verkehrte Welt. Es ist einfach die Welt, die wir zurzeit haben. Wir haben Klimawandel. Damit haben wir viel zu warme Temperaturen jetzt. Es friert nicht mehr. Die Bienen kommen nicht zur Ruhe. Das was sie früher eigentlich konnten, dass sie, wenn es friert draußen, zur Wintertraube sich zusammenziehen. Und damit ist das Volk dem Untergang geweiht.“
Danach zeigt die Kamera die Wetterprognose für die folgenden drei Tage und den abschließenden Kommentar des Sprechers: „Die Wetterprognose aus Bienensicht: schlecht.“
Mein Fazit
Die Bienenvölker haben die drei milden Tage überstanden und sie werden auch den kommenden Winter überstehen, egal wie dieser wird, wenn sie stark genug und gesund sind und genügend Futtervorrat in den Waben haben. Das scheint nicht jeder „Experte“ zu bedenken.
Fall 2
Im Infobrief „Bienen@Imkerei“, herausgegeben von den Bieneninstituten in Mayen, Münster, Veitshöchheim, Kirchhain, Hohenheim und Hohen-Neuendorf (einzusehen z.B. bei http://www.apis-ev.de/index.php?id=infobrief), wurde in der Ausgabe vom 27. November 2015 betont, dass es wichtig ist,
„alle Völker auf Brutfreiheit zu kontrollieren. Eine kurze Kontrolle beeinträchtigt die Völker nur minimal, bewirkt aber eine deutlich höhere Sicherheit für den Behandlungserfolg! Um sicher zu gehen, dass die Völker tatsächlich alle brutfrei sind, bietet sich eine kurze Kontrolle 1-2 Tage vor dem geplanten Behandlungstermin an. Sollten zu diesem Zeitpunkt doch noch kleine Flächen mit verdeckelter Brut in einzelnen Völkern vorhanden sein, dann können diese mit einer Entdecklungsgabel aufgerissen werden. Ein bis zwei Tage später sind die Brutflächen ausgeräumt und die jetzt stattfindende Behandlung erreicht alle Milben im Volk. Natürlich ist dies nur vertretbar bei einzelnen Völkern des ansonsten brutfreien Bestandes. Hat das Gros der Völker noch Brut ist es einfach noch zu früh für die Behandlung.“
Der Infobrief mit dieser Aussage ist überschrieben mit „Imkern nach ökologischen Prinzipien“.
Ein Jahr vorher, im Infobrief vom 28. November 2014, hat derselbe Autor, Dr. Berg aus Veitshöchheim, noch empfohlen, vor der Behandlung alle Völker auf Brutfreiheit zu kontrollieren und den noch brütenden Völkern die Waben mit kleinen Brutflächen zu entnehmen und einzuschmelzen.
Wir tun weder das Eine noch das Andere, führen aber eine Gemülldiagnose vor der anstehenden Behandlung durch, um den Varroabefall der Völker einzuschätzen. Diese nicht nur für Anfänger empfehlenswerte Maßnahme wird im Infobrief nicht erwähnt. Und auch nicht von seinem Autor praktiziert?
Wenn der natürliche Milbenfall deutlich unter 1 Milbe/Tag liegt muss keine Behandlung durchgeführt werden. Bei den Völkern, die behandelt werden, wird auch der Behandlungserfolg erfasst. Das wäre eher „ökologisch“ geimkert.
Dazu gehört auch, dass man sich bei der Terminfestlegung nach der Biologie der Honigbiene und damit nach dem Wetter richtet; denn das Brutverhalten der Bienenvölker wird im Spätherbst und Frühwinter in erster Linie vom Wetter bestimmt. Dieser wichtige Hinweis fehlt im Infobrief vom 27. November 2015. Auch in Bayern gingen einige Tage vorher die Temperaturen „in den Keller“ und viel tiefer als „hier im Westen“.
Der Kälteeinbruch hatte vorhersehbare Folgen. Das zeigt die im Zeitraum 21.November bis 8. Dezember 2015 durchgeführte Populationsschätzung von Völkern an Bienenständen in und um Bochum (Abb. 1 und Abb. 2).
Abb. 1. Der Anteil der Völker mit und ohne Brut an 5 Bienenständen in und um Bochum. n=Anzahl der Völker. An den Standorten „SG“ und „L“ stehen die Völker ganztags im Schatten, an den Standorten „M“ und „G“ vormittags und nachmittags in der Sonne. Am Standort WS stehen einige Völker nur vormittags, andere nur nachmittags in der Sonne.
Abb. 2. Der Vergleich der errechneten Eilegerate (Mittelwerte von jeweils n Völkern) an den 5 Bienenständen mit dem Temperaturverlauf der am Lehrbienenzentrum Hohenstein aufgestellten Stockwaage. Die durchschnittliche Eilegerate wurde aus dem Umfang der verdeckelten Brut (für den Zeitraum 21-9 Tage vor der Populationsschätzung) und der offenen Brut (für den Zeitraum 9-0 Tage vor der Populationsschätzung) berechnet.
Der befristete Temperaturrückgang Mitte November löste bei den Jungvölkern am sonnigen Standort „M“ einen stärkeren Rückgang der Eilegerate aus als bei den am Nordrand eines Waldes im Dauerschatten stehenden Völkern des Standes „SG“. Eine Rolle spielt wahrscheinlich auch, dass die SG-Altvölker mit durchschnittlich 12.000 Bienen etwa doppelt so stark wie die M-Jungvölker sind.
Die Altvölker am Stand „WS“ sind ebenfalls mit durchschnittlich 13.000 Bienen etwa doppelt so stark wie die Jungvölker am Stand „L“ und zeigen (im Durchschnitt) das gleiche Brutverhalten. An beiden Standorten wurde die am 6.12. bzw. am 7.12. vorhandene verdeckelte Brut offensichtlich vor dem Kälteeinbruch am 21. November angelegt. Das gilt auch für die wenige verdeckelte Brut, die bei den Jungvölkern des Standes G-II am 8.12. angetroffen wurde.
Seit Ende November legen die meisten Königinnen keine Eier oder nur wenige, die von den Arbeiterinnen nicht gepflegt, sondern wieder entfernt werden.
Fazit: Der Rückgang des Temperaturminimums von 10° C auf 1-2° C hat allgemein bewirkt, dass die Völker auch „im milden Westen“ das Brüten eingestellt haben. Das war zu erwarten.
Zur anstehenden Behandlung
Laut Wetterprognose soll die Witterung „hier im Westen“ vorerst so bleiben wie sie ist: nachts kein Frost, tagsüber wenig unter 10°C kühl. Tendenz der Temperatur: leicht ansteigend. Wahrscheinlich muss man kurzfristig entscheiden.
Es ist empfehlenswert, vor und nach der Behandlung eine Gemülldiagnose durchzuführen.
Vor der Behandlung gibt sie Auskunft darüber, wie stark ein Bienenvolk von der Varroamilbe befallen ist, wo es sitzt und wie viele Wabengassen es besetzt.
[Wenn der natürliche Milbenfall im Dezember (erfasst über 7 Tage) unter 0,5 Milben pro Tag liegt, kann auf die „Restentmilbung“ verzichtet werden.]
Der durch die Oxalsäurebehandlung ausgelöste Milbenfall hält bis zu 4 Wochen an. Sein Maximum tritt zwischen dem 2. und 4. Tag nach der Behandlung auf. Etwa 80% der bekämpften Milben fallen innerhalb einer Woche. Dieser Zeitraum genügt, um den Behandlungserfolg der Restentmilbung zu beurteilen. Danach werden die Windeln gezogen und die Völker über offenem Gitterboden geführt. Die Windeln werden erst wieder im Juli gebraucht, um den natürlichen Milben(ab)fall zu erfassen.
Wie die Behandlung durchgeführt wird ist auch im Film oben „Die Restentmilbung mit Oxalsäure“ zu sehen.
50 ml der nach Gebrauchsanleitung hergestellten Oxalsäure-Lösung werden mit einer Spritze aufgezogen und mit feinem Strahl (Pipettenspitze aufsetzen) in die von Bienen dicht besetzten Wabengassen gespritzt. Je nach Stärke wird ein Volk mit 30-50 ml behandelt. Starke Völker, die bei Frost in 6 oder 7 Wabengassen sitzen, erhalten 50 ml, indem man beim Spritzen zweimal die besetzten Waben abfährt.
Die Behandlung wird nicht wiederholt! Auch dann nicht, wenn sie einen sehr hohen Milben-Abfall von 1000 und mehr Milben auslöst. In solchen Fällen muss das Behandlungskonzept im Spätsommer/Herbst überdacht und korrigiert werden.