Für Sie gelesen
…und vor fünf Jahren – im Februar 2009 – niedergeschrieben. Wer schreibt der bleibt!
Dr. Gerhard Liebig, im Januar 2014
Völkersterben in den USA hält an
Vor zwei Jahren beherrschten Berichte über außergewöhnliche Völkerverluste im Winter 2006/07 in den USA die Schlagzeilen in den Massenmedien, auch deshalb weil sie durch eine neuartige Krankheit verursacht sein sollten. „Colony Collapse Disorder“ (CCD) steht für das Kahlfliegen von Bienenvölkern. Es ist, in Europa, auch ein Symptom der Varroose. In den USA wurde für 2006/07 als mögliche Ursache ein Virus, der IAPV, eine aus Israel stammende Variante des Akute-Paralyse-Virus entdeckt.
Im Winter 2007/08 kam es in den USA erneut zu einem Völkersterben. Obwohl hochgerechnet der Verlust von fast 1 Million Bienenvölkern und damit einem Drittel des USA-Bestandes zu beklagen war, blieb es in Deutschland nahezu unbeachtet. Das Bienensterben im Rheintal ausgelöst durch die Maisaussaat Ende April aufgrund fehlerhafter Beizung des Saatgutes und die noch nicht abgeschlossene Aufarbeitung dieses Großunfalls, bei dem keine Völker, sondern „nur“ die Flugbienen von etwa 12.000 Völkern zugrunde gingen, hatte monatelang die Aufmerksamkeit der hiesigen Medien auf sich gezogen. Selbst die im Winter 2007/08 in Deutschland aufgetretenen Völkerverluste, die mit etwa 25% (= 200.000 verstorbene Völker) deutlich über Normal lagen, fanden keine Beachtung.
In den USA wurden nach der Auswinterung 2008 zwei Erhebungen über Ausmaß und Ursachen der Völkerverluste durchgeführt, und zwar von der AIA (Apiary Inspectors of America), der Vereinigung der US-amerikanischen Bienenfachberater, und von der USDA (United States Department of Agriculture).
Zur Auswertung wurden die Datensätze beider Erhebungen und damit von 331 Imkereien kombiniert. Diese bewirtschafteten im September 2007 zusammen 474.336 Bienenvölker. Das sind etwa 19,4% der 2,44 Millionen Völker in den USA.
Von den eingewinterten Bienenvölkern gingen 169.452 (= 35,9%) verloren. In den beteiligten Imkereien lag die Verlustrate bei durchschnittlich 31,3% und schwankte zwischen 0 und 82,7%. Dieser Verlust wurde noch im Winterhalbjahr etwa zur Hälfte durch Beschaffung neuer Völker ausgeglichen.
Von den Völkerverlusten waren Hobbyimker, Nebenerwerbsimker und Haupterwerbsimker, die jeweils etwa ein Drittel der befragten Imkereien stellten, im Durchschnitt gleichermaßen betroffen (Tab. 1).
Die Erhebung erstreckte sich auf 23 Staaten der USA. Pro Staat nahmen zwischen 7 und 36 Imkereien teil. In mindestens 7 Imkereien gingen überhaupt keine Völker verloren. Die Gesamtverlustraten der 23 Staaten lagen zwischen 7% (in Maryland an der Ostküste) und 56% (in Michigan an den Große Seen im Nordosten). Eine Abhängigkeit vom Klima oder der geographischen Lage ist nicht zu erkennen. So gingen in den 9 beteiligten Südstaaten zwischen 17% (Arkansas) und 42% (Alabama) der Völker verloren, in den 8 an der kanadischen Grenze gelegenen Staaten zwischen 19% (New York) und 56% (Michigan). In Kalifornien, das die meisten Imkereien (36) und die meisten Völker (200.074) stellte, lag die Verlustrate bei 29,3%. [Etwa 60% der in den Umfragen erfassten Völker wurden im Februar zur Mandelblütenbestäubung nach Kalifornien verbracht!]
Auf die Frage nach der bzw. den vermeintlichen Ursachen für die Völkerverluste antworteten 229 Imker(eien). 201 machten nur einen Faktor verantwortlich, wobei bei der Bewertung der Antworten zu berücksichtigen ist, dass sie wahrscheinlich nicht das Ergebnis einer genauen Untersuchung der verstorbenen Völker Volk für Volk sind. Die Autoren des Berichtes sprechen besonders den Berufsimkern aufgrund ihres meist über Generationen angesammelten Wissens und Erfahrung eine hohe Kompetenz bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes ihrer Völker zu.
Am häufigsten wurde „poor queen“ (schlechte Qualität der Königin) als Ursache genannt (Tab. 2). In den 71 Imkereien, die diesen Faktor angaben und die im Durchschnitt 2000 Völker bewirtschaften, gingen 18,5% der Völker aus diesem Grund ein. Hier wäre ein Einblick in die Betriebsweise dieser Imkereien interessant. In der Liste der möglichen Ursachen steht „verhungert“ auf dem zweiten Platz. Dieser Faktor wurde hauptsächlich von „kleineren“ Imkereien (n= 64) mit durchschnittlich 500 Völkern genannt und raffte 19,8% ihrer Völker dahin.
Etwa in einem Viertel der Imkereien sind „mites“ (Milben) ein großes Problem. Leider wird in dem Bericht nicht erwähnt warum und auch nicht wie die Bekämpfung der Varroamilbe erfolgt. In der Diskussion der Ergebnisse der Erhebung wird das Milbenproblem daran deutlich gemacht, dass vor der Einschleppung der Varroamilbe und der Tracheenmilbe in den 1980er Jahren die Winterverluste in den USA bei 5-10% lagen und danach auf 15-25% angestiegen sind. In 2006/07 haben sie das erste Mal die 30%-Marke überschritten. Für die Völkerverluste dieses Vorwinters wurde zumindest eine Zeit lang mit dem bereits erwähnten CCD eine neuartige Krankheit verantwortlich gemacht.
In 2007/08 wird nur von 9% der an der Erhebung beteiligten Imkereien CCD als Ursache für das Völkersterben angesehen, auch wenn das Hauptsymptom „keine toten Bienen im verstorbenen Volk“ in 37,9% der Imkereien mindestens an einigen Völkern beobachtet wurde. Bei den befragten Haupterwerbsimkern war dieser Anteil mit 63,4% etwa doppelt so hoch wie bei den Nebenerwerbsimkern (34,5%) und mehr als viermal so hoch wie bei den Hobbyimkern (14,7%). Über diese Unterschiede kann nur spekuliert werden, solange die Ursachen von CCD nicht aufgeklärt sind.
Besonders auffällig an der Untersuchung ist, dass der Kleine Beutenkäfer, der in den USA noch vor 10 Jahren für eine Weltuntergangsstimmung in der Imkerschaft gesorgt hatte, die auch nach Europa überschwappte, nur beiläufig erwähnt wird. Auch wird in den USA dem Pestizideinsatz in der Landwirtschaft deutlich weniger Bedeutung für das Völkersterben beigemessen als in Europa (Tab.2). Die Grüne Gentechnik wird überhaupt nicht erwähnt.
Dr. Gerhard Liebig, immelieb@t-online.de
Quelle: Dennis vanEgelsdorp, Jerry Hayes Jr., Robyn M. Underwood, Jeffery Pettis: A Survey of Honey Bee Colony Losses in the U.S., Fall 2007 to Spring 2008, PLOS One, 3 (12), 1-6 (2008).